Molekularbiologie, Biochemie und Physiologie des Plasminogens Hereditäre und erworbene Mängel

Von Prof. Trobisch

Plasminogen ist ein Plasmaglykoprotein, das überwiegend in der Leber gebildet wird. Es sind jedoch auch andere Produktionsorte bekannt wie z.B. die Cornea und die Megakaryozyten. Es ist das Proenzym des Plasmins, das durch u-PA oder t-PA aus dem Plasminogen freigesetzt wird. Plasmin ist eine potente Serinprotease, die in die intravasale und extravasale Lyse von Fibrin eingebunden ist. Sie bewirkt die Lyse von intravasalen Thromben und extravasatem Fibrin, es fördert die Wundheilung, die Zellwanderung, die Remodellierung von Geweben und die Embryogenese.
In der älteren Literatur wird Plasminogen zutreffender Weise Profibrinolysin und Plasmin Fibrinolysin bezeichnet.

Das Gen für Plasminogen ist auf dem 6. Chromosom in der Position q26-q27 lokalisiert. Es hat eine Länge von 53,5kb und enthält 19 Exone.
Menschliches Plasminogen ist ein einkettiges Glykoprotein, das aus 791 Aminosäuren und 2% Kohlehydraten besteht. Das Molekulargewicht beträgt 92.000 Daltons. Das Plasminogenmolekül enthält 6 Strukturdomänen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Der N-Terminus des Proteins enthält 5 „Kringeldomänen“, die die Fähigkeit haben, sich an Fibrin zu binden. Der Begriff Kringeldomäne wurde von Magnusson et al 1975 erfunden, da er diese Proteinstruktur mit einem dänischen Gebäck verglich.

Wie bei anderen Serinproteasen enthält das aktive Zentrum Histidin in Position 603, Asparagin in Position 646 und Serin in Position 741. Das aktive Zentrum enthält in Position 601 ferner Alanin, das für die normale Funktion der Protease offenbar essentiell ist, da eine Mutation von Ala 601 zu Threonin mit einem erhöhten Risiko für Thrombosen infolge einer verminderten Plasminogenaktivität verbunden ist.

Im Plasma des Menschen lassen sich verschiedene Formen des Plasminogens nachweisen: die native Form trägt am N-Terminus einen Glutamin-Rest und wird deshalb als Glu-Plasminogen bezeichnet. Andere Formen des Plasminogens , die durch den katalytischen Einfluss des Plasmins entstanden sind, haben endständig Lysin und werden deshalb Lys-Plasminogen genannt.

Das im Plasma zirkulierende Glu-Plasminogen bildet ein in sich geschlossenes Protein, das sich nach einer Bindung an Lysin-Reste des Fibrins umfaltet. Diese Konformationsänderung steht möglicherweise mit einer erleichterten Aktivierbarkeit des Proteins durch tPA in Verbindung.

Plasminogen wird durch seine Aktivatoren t-PA (Tissue Plasminogen Activator) und u-PA( Urin Plasminogen Activator) zu Plasmin überführt. Nach Spalten einer spezifischen Bindungsstelle im Plasminogenmolekül entsteht das Plasmin, einem 2 Kettenmolekül, das durch 2 Disulfid-Bindungen stabilisiert wird. Plasmin ist eine relativ unspezifische Protease, die nicht nur Fibrinogen und Fibrin in die Fibrinspaltprodukte X,Y,D und E abbaut, sondern auch die Gerinnungsfaktoren V, VIII, XIII und den Willebrandfaktor zerstört. Plasminaktivitäten finden sich jedoch nicht nur intra-, sondern auch extravasal, wie im Bronchialsekret, in Wundsekreten und in der Tränenflüssigkeit.

Erniedrigte erworbene Aktivitäten des Plasminogens finden sich bei unterschiedlichen Krankheiten, wie z.B bei der DIC, der Sepsis, unterschiedlichen Formen der Leukämie, Lebererkrankungen, Schilddrüsenüberfunktion und nach chirurgischen Eingriffen. Es gibt verschiedene Ursachen für einen erworbenen Plasminogenmangel: gesteigerter Umsatz oder verminderte Synthese wie bei schweren Lebererkrankungen. Aber auch die massive Freisetzung von Aktivatoren wie tPA und uPA (Polytrauma, Stress, Schock) führt zu einem Verlust von Plasminogen.(Depletionssyndrom). Die Freisetzung von leukozytären Elastasen zerstört Plasminogen proteolytisch, wie es z.B. bei Patienten mit Sepsis gefunden wird.

Eine hochdosierte thrombolytische Therapie mit Streptokinase, Urokinase und tPA kann aufgrund der Erschöpfung des Plasminogenpools fehlschlagen, weil keine fibrinolytische Aktivität mehr vorhanden ist. Besonders bei einer Langzeitanwendung der Aktivatoren muss die verfügbare Menge an Plasminogen regelmäßig überprüft werden.

Angeborene Defekte des Plasminogens haben je nach Art und Ort der Mutation klinisch unterschiedliche Auswirkungen, und ob sie hetero- oder homozygot vorliegen. Ist das aktive Zentrum – die katalytische Einheit – betroffen, so kommt es bei Homozygoten zu einer schweren Hypoplasminogenämie mit Restaktivitäten < 10 %. Heterozygote weisen Restaktivitäten um 59 % auf.

Sind dagegen die Kringelregionen betroffen – insbesondere die Disulfid-Bindung zwischen Kringel 3 und 2 – ist die Adhäsion des Plasminogens an Fibrin , aber auch an andere Proteine erheblich gestört. Klinisch imponiert bei diesen Patienten die Unfähigkeit intra- und extravasal gebildetes Fibrin abzuräumen. Besonders die fibrinreichen Sekrete des Bronchialsystems können nicht gelöst werden, so dass es zu rezidivierenden bakteriellen Superinfektionen bis hin zur COPD kommen kann.

Auf der Cornea können sich fibrinoide Ablagerungen bilden, die sich nur schwer entfernen lassen. Man nennt sie lignöse – als hölzerne - Membranen. Sie können zur Erblindung führen.

Intravasal gebildete Thromben können nicht lysiert werden und werden organisiert, was besonders bei Lungenembolien zu erheblichen Funktionsausfällen infolge der Stromverengung führt.

Während einer Schwangerschaft kommt es im spatium intervillosum immer zu einer Fibrinbildung, die fibrinolytisch abgeräumt wird (Anstieg der D-Dimere im 2. und 3. Trimenon). Bei hereditärer schwerer Hypoplasminogenämie kommt es zu der sog. fibrinoiden Degeneration der Plazenta, die u.U Plazentarinfarkte, kindliche Dystrophie, Totgeburten oder Aborte auslösen kann.

Bei Patienten – selbst bei solchen, die einen heterozygoten Defekt des Plasminogens aufweisen - kommt es nach Operationen zu schweren Wundheilungsstörungen, da das Wundfibrin nicht abgebaut wird und somit einen idealen Nährboden für Bakterien darstellt.

Schließlich sei erwähnt, dass es nach größeren kutanen Einblutungen zu „Pseudotumoren“ kommen kann, da das extravasate Fibrin bindegewebig umgebaut wird und wie ein Tumor in der Haut erscheint.

Therapeutisch kann ein Plasminogenmangel in Europa wenig effektiv mit Frischplasma behandelt werden. Es müssten große Mengen von Plasma infundiert werden, um einen ausreichenden therapeutischen Effekt zu gewährleisten. Da die Halbwertszeit vom Plasminogen recht kurz ist, müssten die Substitutionen im Abstand von 24 bis 48 Stunden erfolgen. Hiermit können natürlich auch UAW wie allergische Reaktionen bis hin zum Schock verbunden sein.

Ein von den Behringwerken hergestelltes Plasminogenkonzentrat kam nur in die klinische Prüfung. In den Handel kam es aus kaufmännischen Gründen nie.

Für einzelne Patienten ist in dringenden Notfällen ein Plasminogenkonzentrat aus den USA erhältlich, das aber weder in den USA noch in Europa ein Zulassung hat.

Die Domänenstruktur des Glu-Plasminogenmoleküls

Vom NH2-Ende aus befindet sich ein Präaktivations-Peptid (PAP), gefolgt von 5 Kringeldomänen und der Proteasedomäne. Die Präaktivationsdomäne wird durch Plasmin abgespalten und es entsteht das hierdurch verkürzte Lys-Plasminogen. Die Aktivierung vom Plasminogen zum Plasmin erfolgt durch Spaltung einer einzigen Peptidbindung in der Serinproteasedomäne durch t-PA oder u-PA. Es entsteht eine aus 2 Ketten bestehende Protease – das Plasmin - , die durch zwei Disulfid-Brücken stabilisiert wird. Das aktive Zentrum enthält His in Position 603, Asp in Position 646 und Ser in Position 741.
Die KringelregionenK2 und K3 sind durch eine Disulfid-Brücke verbunden und damit stabilisiert.

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