Die Eisenmangelanämie

Von Prof. Trobisch

Einleitung

Laut Angaben der WHO leiden über 2 Mrd. Menschen weltweit an einer Anämie. Ca. 10 % der Arbeits- und Berufsunfähigkeit sind anämiebedingt. Die WHO schätzt, dass 47 % der Vorschulkinder, 30 % der nicht schwangeren Frauen, 42 % der Schwangeren und ca. 13 % der Männer im Alter von über 15 Jahren eine Anämie aufweisen.

Hauptursache für eine Anämie ist ein Eisenmangel. Trotz aller ökonomischer Anstrengungen ist es bisher nicht gelungen, die Häufigkeit des Auftretens eines Eisenmangels signifikant zu senken.

Die Homöostase des Eisenhaushaltes wird einerseits durch die Eisenabsorption aus der Nahrung, andererseits durch das Recycling des Körpereisens aufrecht erhalten. Aus der Nahrung werden i. d. R. 1 mg bis höchstens 2 mg Eisen pro Tag absorbiert. Der tägliche Bedarf ist jedoch mit 20 bis 30 mg anzunehmen. Diese Menge wird durch das aus den abgebauten Erythrozyten freigesetzte Eisen gedeckt. 80 bis 85 % des Eisens werden für die Erythropoese – also für die Hämoglobinbildung – benötigt.

Die Resorption des Eisens im Darm

Das Eisen wird in den oberen Abschnitten des Duodenums in den Körper aufgenommen. 10 – 15 mg Eisen werden täglich mit der Nahrung zugeführt. Davon wird jedoch nur 1 mg resorbiert.

Die Hauptquelle für Eisen ist Fleisch aus der Nahrung. Das Fleischeisen, noch an Häm gebunden, wird durch einen Hämrezeptor aufgenommen und erst in den Enterozyten in seine Bestandteile zerlegt. Die Aufnahme des Eisens erfolgt über den divalenten Metalltransporter (DMT-1).

In der Nahrung liegt Eisen in seiner dreiwertigen Form vor, in der es nicht resorbiert werden kann. In der Zellmembran der Enterozyten findet sich eine Ferrireduktase, die das Eisen in seine zweiwertige Form überführt.

Im Enterozyten wird das Eisen entweder gespeichert oder an das Blut abgegeben. Welchen Weg die Eisenmoleküle einschlagen, hängt vom Eisenbestand des Körpers ab. Nicht benötigtes Eisen wird in seiner dreiwertigen Form im Ferritin des Enterozyten gespeichert. Bei Bedarf kann es wieder remobilisiert, reduziert und an das Blut abgegeben werden. Besteht kein erhöhter Bedarf an Eisen, wird das mukosal gespeicherte Eisen mit der physiologischen Abschilferung der Mucosazellen nach ein bis zwei Tagen ausgeschieden.

Die Eisenhomöostase hält eine normale Eisenkonzentration im Plasma aufrecht, um die Gewebe mit Eisen zu versorgen und das Recycling des erythrozytären Eisens zu steuern. Entscheidend ist dabei ein Peptidhormon, das in den Leberzellen synthetisiert wird. Es handelt sich um das Hepcidin. Dieses Proteohormon bremst die Eisenaufnahme über den Darm und die Plazenta sowie die Freisetzung von Eisen aus dem RES.

In den Enterozyten und den Makrophagen bindet sich Hepcidin an das Ferroportin, das normalerweise Eisen aus dem Zellinneren heraus transportiert. Enterozyten können erst in den letzten zwei Tagen, bevor sie abgestoßen werden, das aufgenommene Eisen über das Ferroportin exportieren. Ist allerdings viel Ferroportin durch Hepcidin blockiert, geht das von den Zellen aufgenommene Eisen über den Stuhl verloren. Auf diesem Wege regelt das Hepcidin die Eisenaufnahme im Darm herunter.

Die bei chronischen Entzündungen beobachtete Anämie ist hepcidinbedingt. Hierbei führt das bei Entzündungen erhöhte Interleukin-6 zu einer Erhöhung es Hepcidinspiegels. Dieser hält das Eisen in den Makrophagen, die in der Milz alte Erythrozyten abbauen, fest und verhindert so ein physiologisches Recycling des Eisens. Dadurch entsteht eine sideroachrestische Entzündungsanämie.

Säugetiere können Eisen nicht aktiv ausscheiden, deswegen wird der Eisenhaushalt im Wesentlichen über die Eisenaufnahme durch das Hepcidin reguliert.

Eine defekte Hepcidinaktivität ist bei den autosomal-rezessiven Formen der Hämochromatose Typ 1–3 mitbeteiligt.

Abgabe des Eisens an das Blut

Ferroportin transportiert zweiwertiges Eisen aus den Enterozyten und übergibt das Eisenion an das Hephastein. Das wiederum ist eine Ferroxidase und überführt das zweiwertige Eisen in dreiwertiges Eisen. Im Blut wird das Eisen vom Transferrin übernommen und zum Bestimmungsort – dem Knochenmark – transportiert.

Das Transferrin ist ein Glykoprotein, das zwei dreiwertige Eisenionen aufnehmen kann. Die reaktiven Ionen werden so sicher in die Peripherie transportiert. Da Transferrin eine molare Masse von 80 kD aufweist, kann es nicht renal ausgeschieden werden, so dass auf diesem Wege kein Eisen verloren geht. Normalerweise ist Transferrin zu 30 % mit Eisen gesättigt, so dass zusätzlich anfallendes Eisen leicht absorbiert und an einen sicheren Ort transportiert werden kann.

Die Übergabe des Eisens an eine Zelle erfolgt über den Transferrinrezeptor, der von allen Zellen, die Eisen benötigen, exprimiert wird, am meisten jedoch im Knochenmark von den Erythroblasten. Transferrin dokt zusammen mit seinen Inhaltsstoffen am Transferrinrezeptor an und wird mittels Endozytose in die Zelle aufgenommen. Mit Hilfe einer Protonenpumpe strömen Protonen in das Endosom ein. So werden die Reaktionspartner im Endosom getrennt. Transferrin mitsamt seinem Rezeptor gelangen an die Zelloberfläche und das Eisenion wird mittels des Metalltransporters (DMT-1) in das Zytosol eingeschleust.

Die Eisenspeicher des Menschen

Im menschlichen Körper kommt Eisen in sehr unterschiedlichen Mengen in den Organen vor. Der Gesamtbestand an Eisen beträgt beim Erwachsenen etwa 3 bis 5 g. Die Hauptmenge an Eisen befindet sich in den Erythrozyten. In einem Milliliter Vollblut sind 0,5 mg Eisen enthalten.

In den zellulären Eisenspeichern lagern ca. 20 % des Gesamtbestandes, wobei sich die überwiegende Menge im Ferritin befindet. Das Molekül enthält bis zu 25 Gewichtsprozent Eisen. Durch spezielle Poren gelangen bis zu 4.500 Eisenionen in das Innere des Proteins. Zweiwertige Eisenionen werden an der Oberfläche des Moleküls zu dreiwertigen Eisenionen oxidiert und in das Innere des Proteins aufgenommen. Die Speicherform ist das Eisenoxid, teilweise mit Phosphat verestert. Sollen die Eisenionen aus dem Ferritin wieder freigesetzt werden, so erfolgt eine Reduktion zu zweiwertigem Eisen.

Ferritin findet man nicht nur in Zellen, sondern auch im Blut, wo es sehr gut mit dem Eisenvorrat des Körpers korreliert, viel besser als der Eisenspiegel selbst.

Übersteigt das Eisenangebot ein Maximum, erfolgt eine lysosomale Umwandlung des Ferritins in sein Abbauprodukt: das Hämosiderin.

Ursachen für einen Eisenmangel

  • Physiologische Ursachen:
    Eisenverlust durch die Menstruation, Schwangerschaft (jedoch auch Verdünnungsanämie), Leistungssport und Eisenverlust durch mechanische Hämolyse;
  • Häufigste Ursachen für einen Eisen-(Blut-)Verlust:
    Blutungen aus dem gastrointestinalen Trakt (Ulcus, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Divertikel, Tumore, Parasiten, Gefäßmissbildungen, Therapie mit Antikoagulanzien), gynäkologische Erkrankungen, Operationen, Unfälle, Hämodialyse, Nasenbluten z. B. bei M. Osler, große kutane Hämatome, Hämaturie;
  • Absorptionsstörungen von Eisen:
    Atrophische (autoimmune) Gastritis, Helikobacter Pylori-Besiedlung der Magenschleimhaut, Z. n. Gastrektomie, Magenverkleinerung, Zöliakie, langfristige Therapie mit Protonenpumpenhemmern, Komplexbildung von Eisen im Darm mit Nahrungsbestandteilen.

Die Diagnostik des Eisenmangels

  • Klinische Hinweise:
    blasses Hautkolorit, Minderdurchblutung der Bindehaut, Haarausfall, spaltende Nägel, Müdigkeit, schnelle Erschöpfbarkeit, Leistungsknick;
  • Laborergebnisse:
    Als frühestes Anzeichen für eine Minderversorgung des Knochenmarks imponiert ein erniedrigtes Hämoglobinäquivalent der Retikulozyten (MCH der Retikulozyten). Bei fortgeschrittenem Eisenmangel fällt eine Erniedrigung des MCV, des MCH, (hypochrome, mikrozytäre Ausreifungsstörung der Erythropoese) auf. Zur Unterscheidung von einer Thalassämie dient der Mentzer-Index: Werte > 15 sprechen für einen Eisenmangel, Werte deutlich < 15 für eine Thalassämie.
  • Bei erheblichem Eisenmangel findet man erniedrigte Werte für MCHC, Hämoglobin, Erythrozytenzahl und Hämatokrit.
    Das Eisenprofil umfasst folgende Parameter: Serumeisen, Transferrin, löslicher Transferrinrezeptor, Transferrinsättigung, Ferritin, Hepcidin und CRP. Bei Entzündungen ist der Ferritinspiegel jedoch stark erhöht, so dass eine Eisenmangelsituation nicht erkennbar ist.

Die Therapie des Eisenmangels

Eisenzufuhr durch Ernährungsoptimierung:
Hohe Eisenkonzentrationen weisen alle roten Fleischsorten auf. Dabei ist die Resorption des zweiwertigen Eisens aus tierischen Nahrungsmitteln dem dreiwertigen Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmittels deutlich überlegen. Die Aufnahme des dreiwertigen Eisens aus Pflanzen kann durch Vitamin C verbessert werden. Eine Hemmung der Resorption erfolgt bei gleichzeitiger Zufuhr von Kaffee und Tee. Bei Veganern besteht die Gefahr eines latenten Eisenmangels.

Orale Eisensubstitution:
Die orale Eisensubstitution ist das erste Mittel der Wahl. Zusätzlich zum elementaren Eisen enthalten die Medikamente Zuschlagsstoffe, wie z.B. Ascorbinsäure, die die Resorption verbessern sollen. Eisenpräparate sollen nüchtern mit Wasser eingenommen werden, nicht mit Milch, Tee oder Kaffee. In der Regel werden 100 – 200 mg Eisen in zwei Dosen pro Tag empfohlen. Eine Überschreitung dieser Dosis und zu lange Anwendung können infolge eines Konzentrationsanstieges des Hepcidins zu einem Therapieversagen führen. Bis zur Normalisierung – insbesondere des Hämoglobinäquivalents der Retikulozyten – muss mit einer Therapiedauer von bis zu 6 Monaten gerechnet werden.
Die orale Eisentherapie ist leider mit einer erheblichen Rate an Nebenwirkungen verbunden. Es treten Übelkeit, Obstipation, Durchfälle und Magenschmerzen auf, die zu einem Abbruch der oralen Therapie führen. Ein Wechsel zu einem anderen Präparat ist i. d. R. nicht sinnvoll, da die selben Nebenwirkungen auftreten können. In jedem Fall sind die Patienten über die möglichen Nebenwirkungen zu informieren und darauf hinzuweisen, dass eine schwarze Verfärbung des Stuhls auftritt.

Intravenöse Eisensubstitution:
Die Verabreichung von Eisenpräparaten zur intravenösen Anwendung ist bei folgenden Zuständen indiziert:

  • Darmerkrankungen, bei denen eine ausreichende Resorption des Eisens nicht gewährleistet ist;
  • Hämodialysepatienten, bei denen die Verluste an Eisen nicht durch die enterale Substitution ausgeglichen werden können;
  • bei Versagen der oralen Eisentherapie;
  • im Fall, dass die körpereigenen Eisenspeicher präoperativ schnell wieder aufgefüllt werden müssen (Eigenblutspende);
  • bei Behandlung von transfusionsbedürftigen Anämien, bei denen aus Glaubensgründen eine Transfusion abgelehnt wird.

Eisen wird zur Infusion mit einem Kohlehydratmantel umgeben. Eisengluconat (Ferrlecit) gibt das Eisen zügig ab, während Eisencarboxymaltose (Ferinjekt) das Eisen langsamer freisetzt. Die Eiseninfusion sollte über einen Zeitraum von ein bis zwei Stunden erfolgen, um die Verträglichkeit zu sichern. Intramusculäre Injektionen sind obsolet.

Eine intravenöse Eiseninfusion ist mit einem erhöhten Risiko für anaphylaktische Reaktionen verbunden. Dieses wurde in der Vergangenheit häufig bei hochmolekularen Eisendextran-Verbindungen beobachtet, die jedoch nicht mehr verabreicht werden sollten.

Aus diesem Grunde dürfen Eiseninfusionen nur in solchen Einrichtungen verabreicht werden, die über eine personelle und instrumentelle Ausstattung verfügen, um eine notwendige Reanimation zu gewährleisten.

Bei langfristiger Eisensubstitution kann es zu einem Vitamin B12-Mangel kommen, der zur sogenannten Aufbrauchperniciosa führt. Deswegen kann die gleichzeitige Vitamin B12-Substitution erforderlich sein.

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